Bitcoin «Chefprogrammierer» aus der Schweiz schmeisst hin.

Bitcoin Chefentwickler, Jonas Schnelli

Oder was ein schlecht recherchierter ARD-Kontraste-Beitrag damit zu tun haben könnte? Banksy tut es, der Gigi, FabTheFox, PlanB und Stadicus tun es ebenfalls, ja sogar der Verfasser dieses Blogs hat es getan. Alle haben sie sich eine digitale/virtuelle Persönlichkeit, ein Pseudonym zugelegt und schützen dadurch, in unterschiedlicher Ausprägung, ihr analoges ich und somit ihre Privatsphäre. Doch was hat das alles mit dem Ausstieg von J.S. aus der Schweiz, einem der Core-Entwickler von Bitcoin, zu tun?

Will man Jonas Schnellis Worten glauben schenken, wenig bis nichts (siehe obenstehenden Tweet). Geht man jedoch davon aus, dass es sich bei Bitcoin um das interessanteste Projekt der Neuzeit handelt und es inzwischen zur Herzensangelegenheit für Millionen von Enthusiasten geworden ist, Bitcoin zum fliegen zu bringen, fällt es schwer zu glauben, dass Schnelli einfach mal aus einer Laune den Bettel hinschmeisst, nur um sich etwas neuem hinzuwenden. Bitcoin ist inzwischen rund um den Globus (zugegeben noch für eine überschaubare Community) zum Hoffnungsträger für eine optimistischere Zukunft geworden, deshalb ist anzunehmen, dass es für einen begabten Coder wohl kaum etwas spannenderes gibt, als diese Zukunft mitgestalten zu dürfen.

Liest man besagten Thread, mit welchem Jonas seinen überraschenden Ausstieg verkündete weiter, stösst man auf folgende Worte:

On top, I feel that the legal risks for Bitcoin developers are increasing year by year (which can be stressful).

Jonas Schnelli, Twitter, 21. October 2021

In diesem einen Satz weist er darauf hin, dass es von Jahr zu Jahr stressiger würde, an Bitcoin zu entwickeln und somit vermehrt im Fokus verschiedenster Interessengruppen zu stehen.

«Chefprogrammierer» weigern sich Bitcoin umweltfreundlich zu machen!

An dieser Stelle ruft sich mir ein miserabel recherchierter ARD-Kontraste-Beitrag vom Mai diesen Jahres ins Bewusstsein zurück, welcher bereits damals für reges Aufsehen in der Community sorgte. Die geneigten Leser:innen mögen es mir verzeihen, wenn ich diesen hier nicht verlinke, um ihm weitere Aufmerksamkeit zuzuspielen.
Mal ganz davon abgesehen, dass besagter Beitrag derart hart an den Fakten vorbei «recherchiert» war, stellt er am Ende (exemplarisch) vermeintlich sechs «Chefprogrammierer» an den Pranger indem behauptet wird, diese würden sich «weigern, Bitcoin umweltfreundlich zu entwickeln» und hätten noch nicht mal auf Anfragen der verantwortlichen Tendenziös-Journalisten reagiert. An jener Stelle des Beitrages wurden diese «Shady Coder» (verpixelt zwar aber dennoch erkennbar) eingeblendet. Um das ganze noch verwerflicher darzustellen fehlte eigentlich nur noch ein gross eingeblendetes «Wanted» in Wildwest-Manier. Man benötigt wohl wenig Fantasie um zu begreifen, was die paar Sekunden bei den angesprochenen Entwicklern ausgelöst haben mag. Mit einem Mal wurden sie ins Rampenlicht gezerrt und als «Klimazerstörer» diffamiert.

Privatsphäre geht uns alle etwas an.

Oben aufgeführtes Beispiel steht exemplarisch dafür, dass Privatsphäre ein kostbares Gut (ein Menschenrecht) ist, welches es mit allen zur verfügung stehenden Mitteln zu schützen gilt. In diesem Kontext erscheint es nachträglich wohl als «suboptimal» dass Schnelli auf Twitter mit seinem Klarnamen aufzufinden ist. Denn auf einen Schlag war es aus mit seiner Privatsphäre, wurden er und seine «Entwickler-Kollegen» in einer gewissen Weise zu Angriffsvektoren gegen Bitcoin. Es würde sich jedenfalls kaum jemand wundern, sollte sich eines Tages herausstellen, dass von verschiedenen Seiten Druck auf die unfreiwillig geouteten Coder ausgeübt wurde. Nicht zuletzt deshalb hatte sich einstmals der Erfinder von Bitcoin dazu entschieden, unter einem Pseudonym «aufzutreten» und das Projekt unerkannt und uneigennützig zu verlassen, um dieses nicht zu gefährden. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es wohl naheliegend, dass dies auch für Schnelli ein ausschlaggebender Grund war, als Core-Entwickler auszusteigen.

Ich hab ja nichts zu verbergen …

Wie oft wurde ich mit diesem gehirnamputierten Argument konfrontiert, wenn ich mich etwa dafür einsetzte, dass es dem Staat nicht zustehen würde, seine Bürger auf Generalverdacht zu überwachen und Daten auf Vorrat zu sammeln. Hunderte von Millionen von Chinesen haben auch «nichts zu verbergen», werden aber dennoch systematisch überwacht und somit ihrer Menschenwürde beraubt. Wie schnell sich die politische Stimmung ändern und es wieder «en vogue» werden kann anders denkende zu denunzieren, erleben wir aktuell auch in Europa. In Italien gehen sie gerade auf die Strasse, weil «ungeimpfte» nicht mehr zur Arbeit erscheinen dürfen …

In Anbetracht dieser Umstände wirkt es rückwirkend zumindest etwas ungeschickt, dass Schnelli den Schutz seiner persönlichen Privatsphäre «vernachlässigte» indem er etwa auf die Verwendung eines Pseudonyms, die Etablierung eines virtuellen Ego verzichtete. Es steht mir nicht zu, ihn darüber zu belehren, welches die richtigen Massnahmen für eine «Person des öffentlichen Interesses» wären, um sich «ausreichend» gegen Anfeindungen zu schützen, dennoch macht dieses Beispiel klar, wie Fatal sich Nachlässigkeiten in diesem Bereich auswirken können. Denn auch die Stimmung, die öffentliche und insbesondere politische Meinung zu Bitcoin wechselt allenthalben und ich bin der starken Überzeugung, dass uns Bitcoiner:innen bezüglich staatlichem und gesellschaftlichem Druck erst ein laues Lüftchen entgegenweht. Es ist wohl dem überraschenden Umstand zuzuschreiben, dass Bitcoin bis anhin von den Mächtigen dieser Welt unterschätzt wird, weil sie sich dem allumfassenden Potenzial dieses Wertespeichers noch gar nicht so richtig bewusst sind. Sobald ihnen jedoch klar wird, dass mit dem Aufstieg von Bitcoin ein Verlust an Kontrolle und Macht von Staaten, Politikern und Konzernen einhergeht, dürfte sich das Lüftchen in einen veritablen Orkan wandeln.

Zieht man all diese Vorahnungen in Betracht kann es nicht schaden, wenn sich heute schon jeder Bitcoinista, auf stürmische(re) Zeiten vorbereitet, indem er/sie sich ernsthaft Gedanken über sein Privatsphäre-Setup macht. Geht man nämlich davon aus, dass sich bei einem Gesamtangebot von 21 Mio. Bitcoin mittel- bis langfristig längst nicht jeder der aktuell 56 Mio. Millonär:innen auch nur einen Bitcoin leisten kann, lässt sich locker ausmalen, welche Auswirkungen dies auf unsere Neidgesellschaft respektive die Bitcoin-Earlybirds haben kann.

Mit einfachen Mitteln die eigene (digitale) Privatsphäre schützen.

Wenn ich mich jedoch in meinem Umfeld über den Schutz der eigenen (digitalen) Privatsphäre unterhalte, spüre ich nicht selten eine gewisse Ohnmacht. «Das ist eben so, da kann «man» nichts machen», ist die einhellige Meinung. Doch dem ist nicht so, es gibt einige, einfach umzusetzende Massnahmen, welche diesen Schutz erhöhen:

  • Verwendung von Pseudonymen auf sozialen Netzwerken
  • Verwendung alternativer Suchmaschinen (DuckDuckGo)
  • Verwendung alternativer, auf Privatsphären-Schutz spezialisierter Browser (Brave Browser)
  • Verbannung von Socialmedia-Apps auf mobilen Geräten (WhatsApp, Instagram, Facebook, TickTock)
  • Oben aufgeführte Plattformen, fals überhaupt, ausschliesslich in einem Browser aufrufen, welcher sonst für nichts anderes verwendet wird und regelmässig Browser-Daten löschen.
  • Verwendung von End-zu-End verschlüsselten Messangern (Signal, Threema)
  • Wo nützlich Tor-Browser einsetzen
  • In ungesicherten Netzen ein VPN verwenden
  • Eigenes NAS einrichten und persönliche Cloud-Dienste aufschalten

Zugegeben, oben aufgeführte Massnahmen erfordern Disziplin und sind zuweilen etwas unbequem aber letztlich ist nichts gratis, schon gar nicht die eigene Privatsphäre und je nach dem wie viel Wert einem diese ist, desto mehr wird er/sie in sie investieren müssen.

Jonas Schnelli wünsche ich aber dass er sich bald von seinem belastenden Core-Entwickler-Dasein erholen mag und dem Bitcoin-Space dennoch in irgend einer Form erhalten bleibt …

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