Ich gehöre ja, was das Durchschnittsalter der Bitcoinianer:innen betrifft (50+), zu einer überschaubaren Minderheit. Um ehrlich zu sein, ist dies in meinem beruflichen IT-Umfeld bereits eine gefühlte Ewigkeit der Fall. Nichts desto Trotz oder gerade deshalb werde ich hier meine persönlichen Erfahrungen mit Bitcoin, meinen Fall ins «Rabbit Hole» und den konsequenten Weg zum Bitcoin-Fullnode beschreiben. Denn die Idee meines Blogs ist es nicht zuletzt, «meiner» Generation die Berührungsängste bezüglich Bitcoin zu nehmen und sie an die Faszination dieser bahnbrechenden Innovation heranzuführen. Denn Bitcoin ist weit mehr als Technologie. Bitcoin steht mindestens auf Augenhöhe mit der Erfindung des Internets und es ist absehbar, dass Bitcoin in beinahe alle Lebensbereiche Einfluss nehmen wird.
Um den geneigten und interessierten Lesern meinen persönlichen Weg nachvollziehbar zu beschreiben, wollen wir erst einmal ein paar Jahrzehnte zurückspulen. Als gelernter Schriftsetzer habe ich gerade meinen Lehrabschluss in einer aussterbenden Berufsgattung gemacht und durfte mich gleich neu orientieren. Und so war es eine glückliche Fügung, dass ich gleichzeitig erste Erfahrungen mit dieser neuen Technologie Internet machen durfte.
Wer braucht den schon so ein Web?
Landen wir nun also mit unserer Zeitmaschine im Jahr 1991. Ich bin noch nicht mal Mitte 20ig, seit wenigen Jahren berufstätig, sitze vor einem Next-Computer und wähle mich zum ersten Mal – über ein analoges Modem – ins Internet ein. Nach gefühlt fünf Minuten ist es endlich soweit, die Verbindung steht und vor meinen Augen baut sich (ruckelig) eine statische Webseite auf, welche aus wenig mehr als einem grauen Hintergrund, kaum lesbaren, farbigen Lettern und ein paar hässlich blinkenden Buttons besteht … Nicht gerade das gelbe vom Ei in den Augen eines ausgebildeten Schriftsetzer und Grafiker, welcher gerade dabei ist, seinen ersten Webdesign-Auftrag an Land zu ziehen.
Ein befreundeter Startup-Gründer fragte an, ob ich es mir zutrauen würde, in Zusammenarbeit, die Webseite des damaligen «Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA)» zu gestalten? Ich sollte mir, zwecks Entscheidungsfindung, einen ersten Ein- und Überblick verschaffen. Ungeachtet der Tatsache dass diese zukunftsweisende und neue Technologie eine Beleidigung für meine visuellen Synapsen darstellte und die Worte Benutzerführung und Anwenderfreundlichkeit noch nicht «geboren» waren, zog mich dieses Internet unmittelbar in seinen Bann. Da wollte, nein musste ich antizipieren. Auch wenn ich bis zu jenem Zeitpunkt keinen Blassen von HTML, Javascript, Flash (damit ist nicht der Comic-Held gemeint) und Konsorten hatte willigte ich ein und zog somit meinen ersten Webdesign-Job an Land.
Während der folgenden Wochen und Monate wurde ich nicht müde, Freunden, Bekannten und Verwandten von dieser neuen, bahnbrechenden Technologie zu erzählen, mit ihnen über das unerschöpfliche Potential und die Revolution der Informationstechnologie zu philosophieren. Allzu oft starrte mich mein Gegenüber mit grossen Augen an, nur um mich bald zu fragen: «Internet wer braucht denn sowas? Wofür soll so eine eigene Webseite denn gut sein?» Mein Vater, damals Vorstandsmitglied eines der führenden Schweizer Verlagshäuser meinte zu mir: «Sohn, wenn du dich da mal nicht verrennst. Wo kommen wir denn da hin, wenn jeder seine eigene Meinung veröffentlicht? Das ist in höchstem Masse unseriös. Niemand hat auf dieses Internet gewartet …»
Eine Wand aus Ablehnung.
Doch dies war längst nicht alles, was ich damals an Widerstand und Skepsis zu hören kriegte. Je mehr sich dieses Web verbreitete, desto ablehnender wurden die Schlagzeilen. Staaten wollten das WWW verbieten oder zumindest zensurieren, Banken wollten Kunden vor kriminellen Übergriffen beschützen und rieten vom Gebrauch privater Handelsplattformen ab. Der soziale Zerfall wurde proklamiert und bald schon wurde behauptet, dass es sich um nichts weiter als um einen Hype und eine Blase handeln würde. Wo man hinschaute und -hörte, wurde man den Eindruck nicht los, dass immense Interessenskonflikte und philosophische Glaubensgrundsätze auf dem Rücken dieser revolutionären Technologie ausgefochten wurden. Doch je lauter und energischer darüber debatiert wurde, ob dieses Internet nun Fluch oder Segen für die Gesellschaft sei, desto interessanter wurde es. Leider brauchte Europa wie so oft wesentlich länger, um diese Technologie für sich zu entdecken, als dies beispielsweise in Amerika der Fall war. Und so sprossen die Tech-Startups in Silicon Valley nur so aus dem Boden. Der Rest ist Geschichte …
Heute ist kaum mehr etwas von diesem freien Internet zu sehen. Internationale – vorwiegend amerikanische – Konzerne um nicht zu sagen digitale Staaten, teilen sich den Kuchen auf und diktieren dem Markt ihre Regeln auf, von Zensur und staatlicher Überwachung wollen wir hier gar nicht erst reden. Das haben andere schon ausreichend getan …
Das digitale Informations-Zeitalter ist zu einem Fakenews-Zeitalter verkommen, welches letztlich eine faschistoide, orange Medienhure auf den Gipfel der Weltmacht spülte. Im Vergleich zu Donald war der «Cowboy» Ronald in den 80ern gerade mal Pony-Reiten …
Be your own Trader oder wenn du dich da mal nicht verspekulierst …
Doch wieder zurück auf meinen Weg zum Bitcoin-Fullnode. Kaum war damals klar, dass und in welchem Tempo sich eine neue, digitale Industrie entwickeln würde, musste auch ein neuer Börsen-Index her. Dieser Index wurde (wen wundert’s) in Amerika ins Leben gerufen und etablierte sich bald als Nasdaq. Die StartUps schossen wie Pilze aus dem Boden und jeder der in der Lage war, an einem Wochenende ein paar gerade Sätze in Form eines Whitepaper zu formulieren, versuchte sich bei diesem Technologie-Index listen zu lassen. Beinahe zeitgleich drängten die ersten Online-Börsenplattformen auf den Markt, welche all jene zu privaten Tradern machten, welche über ein analoges Modems verfügten und sich einen persönlichen Account anlegen konnten.
Selbstredend gehörte auch der Verfasser dieses Beitrages zu diesen Früheinsteigern und so kam es, dass sich mein Portfolio rasant mit allem füllte, was einen «vielversprechenden» UseCase hatte. Es erübrigt sich, dass ich mich heute kaum mehr an eine dieser Firmen erinnere, da die meisten oft nicht mehr als bereits erwähntes Whitepaper produzierten. Dennoch herrschte für eine kurze Zeit – sogar in der Schweiz – eine Art Goldgräber-Stimmung.
Und so kam es wie es letztlich kommen musste. Ich erinnere mich noch als wärs gestern gewesen, als an jenem Tag im Frühjahr 2000 das Nokia in der Brusttasche meiner Motorradjacke vibrierte. Ich war gerade auf dem Weg zu einer Technologiemesse, als mich ein Freund fragte, ob ich gerade sitzen würde. Falls möglich solle ich sofort aus allem raus, die Blase sei gerade dabei zu platzen. Leider war mobiles Internet (das iPhone) damals noch kein Thema und so kam es, dass ich mir das Ausmass meiner persönlichen Tragödie erst am Abend anschauen konnte. Ich hatte mir an jenem einen Tag nicht nur die Finger sondern auch ein fünfstelliges Investment verbrannt. Ich weiss jetzt nicht, ob mir das zusteht aber in einem gewissen Sinne war ich im Januar 2000 der erste gegroundete Shitcoiner …
Dies hatte zur Folge, dass ich nie wieder auch nur einen Rappen in irgend etwas investierte. Und obwohl ich eigentlich noch immer an die Technologie glaubte, kehrte ich ihr während einer Dekade den Rücken zu und verdiente meine Brötchen lieber als Musical-Darsteller wo ich endlos «Look To The Stars» trällerte. Das Internet wurde (ein weiteres Mal) totgesagt. Den nachfolgende Aufstieg von Apple, Google, Amazon und Konsorten liess ich an mir vorbei ziehen …
Wenn ich in der Situation meines finanziellen Groundings jedoch eines gelernt hatte, dann dass man besonders hellhörig werden sollte, wenn Konzerne, Finanzinstitute ja sogar Staaten auf breiter Front eine Wand aus Ablehnung, Zensur und Verboten aufzuziehen versuchen. Ganz besonders misstrauisch sollte man werden, wenn in Zusammenhang mit Innovationen über Gesetze zum Schutz der Bevölkerung nachgedacht und debattiert wird. Insgesamt wurde mir damals zum ersten Mal richtig bewusst, dass die Machthabenden aus Politik und Wirtschaft Angst vor Kontrollverlust und sozialen Unruhen hatten, sollte sich dieses Internet tatsächlich nicht mehr aufhalten lassen. Der aggressive Kampf gegen diese autonome und nicht zensurierte Form der Informationsverbreitung war letztlich ein Ritterschlag für diese revolutionäre und bahnbrechende – anfangs friedliche – Revolution. Zu jener Zeit gab ich mir ein eigenes Versprechen, sollte ich zu Lebzeiten jemals wieder eine ähnliche Chance bekommen, an einer derart epochalen Innovation antizipieren zu können, würde ich sie nicht mehr so leichtfertig an mir vorbei ziehen lassen.
Die Geschichte reimt sich …
Da ich mich als durchaus als lernfähig bezeichnen würde, wollte ich einiges anders machen, sollte sich mir irgendwann mal wieder eine ähnliche Gelegenheit bieten. Zwar konnte ich mir kaum vorstellen, dass ich zu meinen Lebzeiten nochmals Zeuge einer derart disruptiven technologischen Innovation wie dem www werden sollte, dennoch wurde ich hellhörig, als Kollegen Anfang 2016 zum ersten Mal Bitcoin erwähnten. Sie wollten sich über Mittag, an einem ATM in Zürich – beim Stand von ungefähr 400 Schweizer Franken – etwas von diesem magischen Internet-Geld besorgen und luden mich dazu ein mitzukommen. Ich lehnte dankend ab, da spekulieren bekanntermassen nicht meins war.
Dennoch liess mich die Sache nicht in Ruhe und ich begann mich mehr und mehr dafür zu interessieren. Da zu jener Zeit noch kaum deutschsprachige Inhalte verfügbar waren, informierte ich mich über einschlägige Foren, hörte mir englischsprachige Podcasts an, trieb mich auf Crypto-Twitter rum und abonnierte letztlich den einzigen damals verfügbaren deutschsprachigen Kanal von Julian Hosp. Durch meine früheren Erfahrungen geprägt, konnte ich die für mich relevanten Informationen heraus filtern.
Mein persönlicher Bitcoin-Diplomlehrgang.
Obwohl mich die Sache immer stärker in seinen Bann zog, konnte ich mich bis Ende 2016 einfach nicht dazu durchringen, in Bitcoin zu investieren. Bis mir im Dezember die zündende Idee kam, wie sich ein allfälliges Investment vor mir selbst «rechtfertigen» liesse. Ich hatte Zeit meines Lebens einiges in meine berufliche Weiterbildung investiert und mich deshalb dazu entschieden, mir mit Ende 40ig weitere nationale und internationale Diplom-Lehrgänge zu ersparen. Da ich mir sowieso das meiste Wissen autodidaktisch und mit Hilfe des Internets zu eigen machte, entschied ich mich, die ungefähre Summe eines Diplom-Lehrgangs in Bitcoin, ein paar handverlesene Altcoins (hier war er wieder, mein Spieltrieb) und meine persönliche Weiterbildung zu investieren. Dumm nur, dass der Kurs damals kurzfristig bei knapp 18’000 Schweizer Franken lag. So konnte ich letztlich keine 60 sondern ein Bruchteil eines Bitcoins mein Eigen nennen. Aber dieses Lied singe ich bei weitem nicht alleine …
Ich war aber dennoch der Überzeugung, dass dies in jedem Fall gut investiertes Geld sei und ich – auch im Falle eines Totalverlustes – zumindest intellektuell inspiriert und angereichert aus der Sache heraus gehen würde. Was ich zumindest aus Erfahrung (siehe Platzen der Tech-Blase) und meinem wenigen technischen Bitcoin-Verständnis bereits wusste, so lange ich meine Satoshis nicht wieder verkaufte würde ich auch keine Verluste einfahren, da ein Bitcoin immer ein Bitcoin bleiben würde.
Nun, wer sich bereits etwas länger mit den auf und abs von Bitcoin auskennt weiss, dass meine Standhaftigkeit bereits im Januar 2017 arg auf die Probe gestellt wurde. Als sich der «Wert» meines Portfolios innert weniger Tage um rund 80% verringerte, mutierte ich auf einmal zum Langzeit-HODLER und es war mir schnell klar, dass sich daran auf unbestimmte Zeit nichts ändern würde. Ich fühlte mich in die 0er-Jahre zurückversetzt, konnte aber dennoch weiterhin ruhig schlafen, weil ich zum einen an Bitcoin und zum anderen an meinen Wissensdurst glaubte. Ich hatte nun noch mehr Zeit um mich intensiver mit der Sache auseinanderzusetzen.
Bitcoin ist böse, klimafeindlich und ein Instrument für kriminelle Machenschaften.
Beinahe zeitgleich mit meinem Portfolio-Grounding viel mir auf, wie medial auf breiter Front Stimmung gegen Bitcoin gemacht wurde. Zwar wurde er nach diesem massiven Kursverlust zum wiederholten Male tot geschrieben und dennoch wurden Bankvorstände, Wirtschaftsökonomen, Journalisten und Politiker aus allen Lagern nicht müde, ihm die übelsten Eigenschaften anzudichten. Bitcoin sei das Geld für kriminelle Machenschaften und insbesondere bei Drogengeschäften die Währung der Wahl aber auch Steuerhinterziehung und Geldwäsche würden dank Bitcoin ganz besonders attraktiv. Und da es gerade en Vogue ist, den Wert einer Leistung in deren CO2-Bilanz zu messen, wurde auch von dieser Seite unreflektiert auf Bitcoin eingedroschen.
Als sich dann noch angesehene und erfolgreiche Investoren wie Warren-«Bitcoin is Rat Poison Squared»-Buffet begannen, sich herablassend über Bitcoin zu äussern, wurde mir endgültig klar, dass ich gerade zum zweiten Mal auf eine Bahnbrechende Innovation gestossen bin. Von nun an gab es kein Halten mehr. Ich versank buchstäblich in diesem oft zitierten «Rabbit Hole» und tauchte daraus bis heute nicht wieder auf. Ach ja, die Meinung meines Vaters zu Bitcoin möchte ich den geneigten Leser:innen hier ersparen …
«Not your keys is not your Bitcoin» und «Not your Node, not your Rules»
Es ist selbstverständlich, dass es einen Unterschied macht, ob man sich als «Aussenstehender» für eine Sache interessiert oder als jemand der/die in diese investiert ist. Das war vor mir der Fall und wird sich auch künftig bei allen Neueinsteigern nicht ändern. Da meine ich nicht einmal in erster Line den Kurs. Dieser sollte sich in meinem Fall sowieso während der nächsten Jahre, nicht mehr auf mein Einstiegs-Niveau erholen. Aber da ich ja nun zum Langzeit-HODLER verknurrt war, wurde ich nicht müde, mehr über die Philosophie, die Idee, die Ideologie(n) hinter Bitcoin erfahren zu wollen.
Da ich nun aber diesen Artikel nicht unendlich in die Länge ziehen mag und der Titel «Mein Weg zum Bitcoin Full Node» lautet, abschliessend noch ein paar Worte wie es soweit kam, dass ich inzwischen stolzer Betreiber eines Bitcoin Full Node bin. Eigentlich war es letztlich die Entscheidung, das richtige tun zu wollen. Denn jeder weitere, privat betriebene Full Node ist ein Beitrag ans dezentrale Bitcoin-Netzwerk. Da durch mein Herz schon immer und bis heute anarchisches Blut fliesst und Bitcoin Freiheit und Unabhängigkeit verspricht, blieb mir letztlich auch nichts anderes übrig, als diese Gelegenheit zu nutzen. Denn nun bin ich nicht nur Besitzer meiner privaten Tresor-Schlüssel, mit meinem eigenen Full Node verifiziere ich nun auch all meine Transaktionen selber und schütze dabei auch gleich noch meine Privatsphäre, bin also meine eigene Bank und in einem höchsten Masse unabhängig.
Und je breiter sich dieses basisdemokratische Netzwerk verbreitet, desto kleiner wird die Gefahr dass, analog dem Internet, multinationale Konzerne, Politiker und Staaten die Regeln bestimmen. Es liegt also quasi in der Verpflichtung eines jeden einzelnen, Verantwortung für diese Hoffnung stiftende Innovation zu übernehmen und sich so gegen Fremdbestimmung aufzulehnen. Möglicherweise bietet Bitcoin die letzte Chance dazu, Politiker und Staaten zu entmachten. Gerade in Zeiten von Corona sollten wir uns dessen bewusst werden.