Zugegeben, der Titel dieses Beitrages erscheint auf den ersten Blick etwas investigativ. Denn immerhin ist Dezentralität die Schlüsselfunktion von Bitcoin! Die gesamte Code-Architektur ist darauf ausgelegt, dass Bitcoin letztlich keinen zentralen Angriffspunkt bietet. Keine natürliche Person, Bank, kein Institut und kein Staat kann Bitcoin einfach mal den Hahn abdrehen oder ihn gar weltweit verbieten, indem beispielsweise der «Erfinder» erpresst oder weggesperrt werden kann.
Wie war das nochmal mit diesem Internet?
Aber halt, war da nicht schon mal was? Ich gehöre einer Generation an, welche bereits die Einführung der anderen, bahnbrechenden Innovation miterleben durfte. Ich war nämlich gerade mal Anfang 20ig als das Internet sich anschickte die Welt zu erobern. Die Innovation des auslaufenden 20igsten Jahrhunderts, ohne welche es Bitcoin heute wohl nicht gäbe. Beide Technologien weisen Ähnlichkeiten auf und zeichnen sich nicht zuletzt durch deren «Dezentralität und (vermeintliche) Zensurresistenz» aus.
Oberflächlich betrachtet ist das Internet weiterhin dezentral und nicht zensurierbar. Schaut man jedoch hinter die Fassade lässt sich unschwer erkennen, dass dieser Mythos tiefe Risse aufweist und einer genaueren Betrachtung nicht mehr stand hält. Es ist inzwischen über 20ig Jahre her, als sich der ehemalige amerikanische Präsident Bill Clinton über Chinas Pläne lustig machte, das Internet unter staatliche Kontrolle zu bringen indem es eine beinahe undurchdringliche Firewall aufziehen würde. Inzwischen dürfte ihm das Lachen aber im Hals stecken geblieben sein. Sämtliche Google-Dienste, Twitter, youTube oder Facebook sucht man hinter der grossen Firewall vergebens. Will man mit China geschäften und seine Website aus Gründen der Performanz hinter der chinesischen Firewall hosten lassen, muss man erst mal an deren Zensurstellen vorbei kommen und auch Russland hat inzwischen Freude an Chinas Masterplan gefunden. Es reicht aber auch schon, das Internet partiell «abzuschalten», wie dies beispielsweise während dem «Arabischen Frühling» oder dem inszenierten Putsch in der Türkei der Fall war. Keine Frage, gebildete und risikofreudige Zeitgenossen hatten über VPN weiterhin Internet-Zugang aber zu einem hohen Preis, den längst nicht alle zu bezahlen bereit waren.
America first
Wenn es um Internet-Zensur, Manipulation oder Machtmissbrauch geht, reicht aber auch schon ein Blick über den grossen Teich. Denn war das Internet vor rund 30ig Jahren tatsächlich noch dezentral und – zumindest ideologisch – zensurresistent, sind es heute vorwiegend amerikanische Techgiganten wie Google, Apple, Facebook, Amazon, Uber und wie sie alle heissen, welche den Ton angeben und die Regeln bestimmen. Da Europa den Internet-Zug in dessen Entstehungsjahren sträflich verpasst hatte, konnte sich bis heute eine quasi Zentralisierung bilden. Die «Gesetze» werden in Amerika gemacht und praktisch sämtliche Informationen im Netz werden über amerikanische Router geschleust. Amerikanische Cloud-Lösungen spriessen wie Pilze aus dem Boden. Ein Schelm wer dabei an Wirtschafts-Spionage denkt … Durchaus möglich, dass oben aufgeführte Unternehmen anfänglich nur Gutes im Sinn hatten, davon ist aber heute und insbesondere «dank» 9/11 kaum mehr etwas zu spüren. Inzwischen handelt es sich bei diesen Firmen um territoriale um nicht zu sagen totalitäre Wirtschafts- und Machtmonopole, welche sukzessive lokales Gewerbe vernichten und dem internationalen Markt amerikanische «Werte» aufzwingen, ganz davon abgesehen, dass unser tägliches Leben mittlerweile bis ins Schlafzimmer durch deren Algorythmen manipuliert und bestimmt wird.
Unlängst veröffentlichte Apple Pläne, auf deren Devices und Cloud-Lösung einen Algorythums installieren zu wollen, welcher dabei unterstützen soll, sexuellen Missbrauch an Minderjährigen aufzudecken. Vermeintlich gut gemeint jedoch schlecht ausgeführt. Wie liesse sich dieses Vorhaben letztlich mit Apples USP, dem Schutz der Privatsphäre vereinbaren? Sollte Apple nicht von diesen Plänen abweichen, würde damit die Büchse der Pandora geöffnet. Ganz zu schweigen, welche Begehrlichkeiten das Unternehmen damit bei totalitären Regimen wecken würde …
Und erneut verpasst Europa den Anschluss.
Geneigte Leser:innen mögen sich fragen, was dies alles nun mit Bitcoin zu tun haben soll? Möglicherweise mehr, als uns allen lieb sein kann. Denn Europa ist gerade mal wieder dabei, die selben Fehler zu wiederholen, welche es bereits in den 90ern in Bezug auf das Internet gemacht hatte. Es ist im Begriff die Innovation des Jahrhunderts mit zu kurz gedachten, übermässigen Regulatorien und stumpfsinnigen Verboten abzuwürgen, bevor sie auf dem Kontinent überhaupt erst in Gang gekommen ist. Anstatt innovative Ideen zu entwickeln, wie man das Mining auch in Europa CO2-Neutral betreiben und fördern könnte, wird über Verbote nachgedacht. Dabei hätte man die Chance packen können, als China in etwa das Mining verboten hatte und Miner damit zwang, neue Standorte zu finden. Zwar kann heute nicht mehr von einer «zentralisierten» Mining-Power auf chinesischem Boden gesprochen werden, dafür scheint sich diese nun in Amerika aufzubauen. Wenn man dabei noch bedenkt, dass wieder amerikanische Unternehmen und Startups (Coinbase, Kraken, Twitter, MicroStrategy, Gemini, Square, Facebook, …) eine führende Rolle in der Entwicklung von technologischen Innovationen in Bezug auf Bitcoin und Blockchain-Technologien spielen, braucht es wenig Phantasie um dabei Parallelen zu den Anfangsjahren des WWW zu erkennen. Denn obwohl Bitcoin immer dezentral bleiben wird, bahnt sich erneut ein amerikanisches Machtzentrum auf und die Gefahr ist zumindest nicht auszuschliessen, dass sich die Geschichte des freien Internets in Teilen auch mit Bitcoin wiederholen könnte, zumal China mit der Einführung des digitalen Yen bereits wieder an einer «Bitcoin-Firewall» rum bastelt …
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Wie ich hier des öfteren erwähnt habe, bin ich weder Techniker noch Programmierer. Ich verfüge auch über keine Glaskugel, welche mich in die Zukunft blicken lässt. Da ich aber seit bald 30 Jahren Webprojekte begleite und über einen IT-Background verfüge, bereiten mir gewisse Parallelen in Bezug auf die Anfangsjahre des WWW und von Bitcoin leichte Bauchschmerzen. Zum einen sind es oben aufgeführte Zentralisierungstendenzen zum anderen aber auch eine ähnliche Haltung der jeweiligen «Communities», welche mir Kummer bereiten. Denn ähnlich wie heute bei Bitcoin waren auch die Pioniere und «Early Adopter» der damaligen Zeit davon überzeugt, dass sich die Machtverhältnisse hin zur «Basis» verschieben würden. Dass man sich von den Zwängen von Staaten, Grosskonzernen und Mainstream-Medien befreien könne. Und ähnlich wie damals verspüre ich eine gewisse, möglicherweise fahrlässige Nonchalance um nicht zu sagen Arroganz, dass Bitcoin alles von alleine «richten» werde. Wenn uns die Geschichte jedoch eines lehrt, dann dass sich nichts von alleine durchsetzen wird. Oft hat sich nicht die beste Technologie durchgesetzt, sondern jene welche die stärkste Marketing-Power, Lobby aufbieten konnte und es gibt wohl kaum eine besser ausgerüstete Lobby als jene des aktuellen FIAT-Systems, welches auf Gedeih und Verderb und mit allen «legalen» Mitteln verteidigt wird und sind die proklamierten CBDCs erstmal ausgerollt, wird sich der internationale Akzeptanzprozess von Bitcoin zumindest spürbar verlangsamen und Orwells 1984 lässt grüssen …
Sollte sich die Gesellschaft dessen jedoch schnell genug bewusst und eine breite Bevölkerungsschicht von der revolutionären Kraft dieser Technologie überzeugt werden können, besteht durchaus die Chance, dass dieses Mal vieles besser läuft als mit dem freien Internet. Denn im Unterschied zum WWW kann jeder Einzelne, mit einem persönlichen Full Node dazu beitragen, das Netzwerk zu stärken und weltweit zu vernetzen. Je mehr es gelingt, «einfache Bürger:innen» von der Sache zu überzeugen, diese auf Augenhöhe abzuholen und zu begeistern, desto weniger Einfluss werden Staaten und Konzerne auf die «Pace» von Bitcoin nehmen können. Bitcoin gehört uns allen und wir sollten bereit sein, uns für die Versprechen welche Bitcoin uns in Aussicht stellt einzustehn, indem wir nicht müde werden, Bitcoin in unserem Umfeld zu etablieren und Bekannte, Verwandte und Nachbarn on boarden. Ziel dieses onBoardings muss es gleichzeitig sein, darauf aufmerksam zu machen dass es nicht reicht Satoshis zu kaufen, sondern dass «richtige» Bitcoiner:innen Verantwortung übernehmen wollen, indem sie die Sats in eine private Wallet stacken und sie nicht auf Börsen oder bei ähnlichen Dienstleistern liegen lassen und damit dazu beitragen das Netzwerk zu stärken.
Wie man in der Schweiz am einfachsten und sichersten Sats stackt, habe ich in diesen Artikeln beschrieben:
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